Nachfolgend finden Sie eine Übersicht über die verschiedenen Vertriebsformen, welche sich in der Praxis etabliert haben und welche i.d.R. im Bereich integrierter Vertriebssysteme («Managed Distribution») anzutreffen sind. Diese Vertriebsformen werden im Sprachgebrauch konzeptionell oftmals vermischt. Eine scharfe Trennung der Vertriebsformen ist daher nicht immer möglich. Je nach Ausgestaltung eines Vertriebssystems können sich aber andere Konsequenzen konzeptioneller und rechtlicher Art ergeben. Die Auflistung stellt daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit und in der Praxis sind verschiedenste Mischformen denkbar.
«AGENCY» / «Agentur»
Beim gesetzlich geregelten Agenturvertrag (Art. 418a ff. OR) vermittelt und/oder verkauft der Agent auf Dauer die Produkte/Dienstleistungen des Systemgebers auf Rechnung des Systemgebers. Das heisst die Produkte im Geschäft gehören dem Systemgeber und das finanzielle Risiko liegt bei diesem. Als Gegenleistung für die Tätigkeit des Agenten bezahlt der Systemgeber dem Agenten eine Provision, welche grundsätzlich frei ausgestaltet werden kann, solange sie ein angemessenes Entgelt für die Tätigkeit des Agenten darstellt.
Im Bereich der Managed Distribution wird der Agent i.d.R. stark in das System integriert und erhält vom Systemgeber – ähnlich wie beim Franchising – das Know how sowie die Marke des Systems für seine Tätigkeit zur Verfügung gestellt. Der Agent muss in diesem Fall die Betriebsorganisation und Arbeitskraft zur Verfügung stellen.
Das Agentursystem eignet sich namentlich dann, wenn der Systemgeber die Preishoheit seiner Produkte und Dienstleistungen behalten möchte. Er bestimmt dann die Preise, für welcher der Agent die Produkte oder Dienstleistungen zu vertreiben hat.
Da der Agenturvertrag gesetzlich geregelt ist, gibt es dazu auch einige Rechtsprechung. Dabei befassen sich die Gerichte vor allem mit der sog. «Nachvertraglichen Kundschaftsentschädigung». Die Beendigung des Agenturvertrages löst bei Vorliegen gewisser Voraussetzungen nämlich zwingend eine Entschädigungspflicht des Systemgebers aus. Auch dies sollte bei der Systemkonzeption bereits beachtet werden.
Wichtig zu wissen für Systemgeber ist zudem, dass bei Agenten, welche natürliche Personen sind (und bspw. nicht eine GmbH), aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht dieser als «unselbständig» betrachtet wird, und entsprechend der Systemgeber die Sozialversicherungsbeiträge abrechnen muss.
«FRANCHISING»
Beim «Franchising» überlässt der Franchisegeber dem Franchisenehmer sein Know-how und seine weiteren Immaterialgüterrechte (wie namentlich Marken), damit dieser im eigenen Namen und auf eigene Rechnung die Produkte oder Dienstleistungen des Franchisegebers vertreibt. Der Franchisenehmer trägt dabei das finanzielle Risiko für den Vertrieb der Produkte, welche in seinem Eigentum stehen.
Für die Überlassung dieses Know-hows bezahlt der Franchisenehmer dem Franchisegeber i.d.R. eine Franchisegebühr. Die Franchisegebühren können frei ausgestaltet werden (Einstiegsgebühr, laufende Gebühr, fix, variabel, monatlich, jährlich, gemischte Rechnung, etc.).
Der Franchisevertrag enthält Elemente des Lizenzvertrages, geht aber in Bezug auf die Rechte und Pflichten von diesem weit hinaus. Der Systemgeber stellt dem Vertriebspartner ein vollständiges System zur Verfügung, welcher der Franchisenehmer eigenständig auf eigene Kosten nach den Vorgaben des Franchisegebers betreibt. Dies bedingt idealerweise auch eine stärkere Integration des Partners ins System.
Franchising kann dann die geeignete Vertriebsform sein, wenn das Produkt sowie das dahinterstehende System auf spezifischem Know-how basieren, und sich durch lokal verankerte Vertriebspartner ideal vertreiben/multiplizieren lassen.
Franchising ist in der Schweiz nicht gesetzlich geregelt und höchstrichterliche Rechtsprechung dazu besteht kaum. Dies lässt den Vertragsparteien eines Franchisevertrages einen grossen Spielraum bei der Gestaltung ihrer Partnerschaft.
«LICENSING» / «Lizenzierter Vertrieb»
Beim Lizenzvertrag überlässt der Lizenzgeber dem Lizenznehmer ein Immaterialgut (Marke, Patent, Konzept, Know-how, o.ä.) zur wirtschaftlichen Nutzung und Kommerzialisierung (bspw. Software-Lizenzvertrag). Im Gegenzug bezahlt der Lizenznehmer eine Lizenzgebühr an den Lizenzgeber, welche in allen Variationen denkbar ist. Auch der Lizenzvertrag ist in der Schweiz nicht gesetzlich geregelt, ist aus dem Vertriebsrecht aber nicht mehr wegzudenken.
Sowohl der Agenturvertrag als auch das Franchising können zudem Elemente des Lizenzvertrages enthalten (bspw. Überlassung Marke).
Beim Licensing ist der Lizenznehmer i.d.R. nicht so stark in das System integriert wie beim Agentur- oder Franchisesystem. Ein systemübergreifendes Dienstleistungs- und/oder Marketingkonzept liegt i.d.R. nicht vor. Schulung erhält der Lizenznehmer nur soweit notwendig für die Ausübung der Lizenz.
Lizenzen können exklusiv oder nicht exklusiv eingeräumt werden, je nach Produkt/Dienstleistung und/oder Region.
«ALLEINVERTRIEBSVERTRAG»
Beim Alleinvertriebsvertrag verpflichtet sich der Lieferant/Hersteller dem Alleinvertreter ein exklusives Bezugsrecht für bestimmte Produkte einzuräumen und entsprechend zu liefern. Der Alleinvertreter hat im Gegenzug die Pflicht, die entsprechenden Produkte vom Lieferanten zu kaufen und unter den vereinbarten Bedingungen im Vertragsgebiet in eigenem Namen und auf eigene Rechnung zu vertreiben. Der Alleinvertreter – oder auch Eigenhändler genannt – erwirbt somit das Eigentum an den Produkten, welche er unverändert und unter der Marke des Lieferanten vertreibt.
Den Alleinvertreter trifft eine ausgeprägte Absatzförderungspflicht. Das Vertriebsrisiko trägt dabei der Alleinvertreter.
Im Vordergrund bei dieser Vertriebsform liegt die Warenlieferung und der Alleinvertreter ist i.d.R. nicht stark in das System des Lieferanten integriert.
Der Alleinvertriebsvertrag ist nicht gesetzlich geregelt. In der Regel sind verschiedene Rechtsbestimmungen auf ihn anwendbar (Agenturrecht, Gesellschaftsrecht, Kaufvertrag etc.).
«SELECTIVE DISTRIBUTION» / «SELEKTIVER VERTRIEB»
Ist ein Vertriebssystem selektiv aufgebaut, bedeutet das, dass die Produkte/Dienstleistungen nur über ausgewählte Händler vertrieben werden. Grund dafür ist oft die Markenpflege des Systemgebers. Damit der selektive Vertrieb jedoch nicht mit dem schweizerischen und dem europäischen Kartellrecht kollidiert, müssen bestimmte Anforderungen erfüllt sein.
Nämlich:
- Die Kriterien für die Händler müssen aufgrund der Produkteigenschaften notwendig sein (bspw. zwecks Sicherstellung, dass die Produkte korrekt eingesetzt werden);
- Die Händler müssen aufgrund überprüfbarer objektiver Kriterien ausgewählt werden; und
- Die Kriterien dürfen nicht unverhältnismässig sein und keine unzulässige Marktbeschränkungen darstellen.
Bevor man ein solches System jedoch einführt, sollte man sich beraten lassen, ob der selektive Vertrieb für das eigene Produkt aus rechtlicher Sicht zulässig ist.
«HYBRID FORMS» / «MISCHFORMEN»
In der Praxis sind auch Mischformen denkbar und Unternehmen können sich verschiedener Vertriebssysteme bedienen. Oftmals eignen sich je nach Markt / Land nicht die gleichen Vertriebsformen und es kann Sinn machen, im «Stammland» Eigenvertrieb zu machen, im Ausland hingegen bspw. Franchising.
Die richtige Vertriebsform zu finden kann in der Praxis schwierig sein. Eine einmal gewählte Vertriebsform sollte zudem regelmässig kritisch hinterfragt werden, ob die Prozesse und Ausgestaltung des Vertriebssystems noch richtig ist und sogar, ob die Vertriebsform an sich noch die richtige für das eigene Unternehmen ist.
Mitgliedschaft mit Mehrwert
Profitieren Sie von professionellem Fachwissen und zielgerichteten Weiterbildungsangeboten, knüpfen Sie wertvolle Kontakte und präsentieren Sie Ihr Unternehmen auf der Verbandswebsite. Als Mitglied von Swiss Distribution stärken Sie die Stimme der Vertriebsunternehmen in der Schweiz und bekennen sich zu Qualität und Professionalität.