Was ist eigentlich der Unterschied ... (Teil 1)
... zwischen dem FRANCHISE- UND AGENTURVERTRAG?
In unserer Reihe «Was ist eigentlich der Unterschied…» werden die verschiedenen integrierten Vertriebssysteme gegeneinander abgegrenzt. Die übersichtsartige Differenzierung erfolgt hauptsächlich aufgrund rechtlicher Kriterien, soll aber - wo sinnvoll - auch konzeptionelle Überlegungen berücksichtigen.
Wichtig zu beachten ist, dass die Grenzen zwischen den verschiedenen Systemen oftmals fliessend sind. Zwar gibt es in der Praxis viele Paradebeispiele für das eine oder andere Vertriebsmodell, dennoch beinhalten die verschiedenen Systeme oftmals Elemente anderer Modelle. Die nachfolgenden Unterscheidungskriterien stellt somit immer nur die Extremvarianten der Systeme dar.
Der grösste Unterschied zwischen FRANCHISING und AGENTUR ist, dass der Agenturvertrag im Schweizerischen Obligationenrecht geregelt wird, wenn auch «nur» in 21 Artikeln (OR 418a – 418v).
Der Franchisevertrag hingegen ist ein sog. Innominatkontrakt, welcher nicht gesetzlich normiert ist. Er enthält Elemente von anderen (teilweise gesetzlich geregelten) Vertragstypen, wie namentlich miet-, kauf-, lizenz- und gesellschaftsrechtliche Elemente. Beiden Vertriebssystemen ist aber inhärent, dass die Parteien eine grosse Vertragsfreiheit haben und die unterschiedlichsten individuellen Vereinbarungen treffen können.
Der Agent vermittelt entweder nur Geschäfte oder schliesst solche Geschäfte im Namen des Auftraggebers für dessen Rechnung ab.
Beim Franchising hingegen schliesst der Franchisenehmer Geschäfte im eigenen Namen und auf eigene Rechnung ab. In beiden Modellen sind die Vertriebspartner selbständige und vom Systemgeber unabhängige Parteien. Sie führen ihr eigenes Unternehmen mit eigenen wirtschaftlichen Risiken.
Beim Franchising gehört die ggü. dem Endkunden angebotene Ware dem Franchisenehmer, welcher somit das wirtschaftliche Risiko für deren Absatz trägt. Das Kundenverhältnis besteht mit dem Franchisenehmer, welcher somit grundsätzlich die Kunden auch nach Beendigung des Franchisevertrages behält.
Der Agent hingegen verkauft Ware, die dem Auftraggeber/Systemgeber gehört; das Kundenverhältnis besteht zum Auftraggeber und die Kunden verbleiben bei Beendigung idealerweise beim Auftraggeber, was jedoch eine nachvertragliche Kundschaftsentschädigung in Höhe eines Nettojahresverdienstes auslösen kann.
Konsequenterweise darf der Franchisenehmer seine Preise selbst festsetzen. Eine Vorgabe des Preises ist gesetzlich nicht erlaubt. Es können höchstens Preisempfehlungen für Maximalpreise oder kurzfristige Aktionen abgegeben werden.
Der Agent hingegen verkauft die Ware zum vom Auftraggeber vorgegebenen Preis.
Bezüglich der Vergütung führt der Franchisenehmer eine Franchisegebühr an den Franchisegeber ab.
Der Agent hingegen erhält eine Provision vom Systemgeber. Die Höhe der beiden Vergütungsformen kann im Rahmen der allgemeinen Rechtsgrundsätze frei festgesetzt werden. In der Praxis finden sich viele verschiedene Berechnungsmethoden (Umsatzabhängig, Fixvergütung/-provision, Einstiegsgebühr, etc. etc.).
Weitere rechtliche Unterschiede können sich im Bereich der Sozialversicherung ergeben (namentlich in Bezug auf die Qualifikation als «Selbstständigerwerbender») und sollten frühzeitig vom Systemgeber geprüft und allenfalls bei der zuständigen Behörde ein Ruling eingeholt werden.
Aus konzeptioneller Sicht ist es systemtypisch, dass der Franchisenehmer in das System des Franchisegebers integriert wird und vom gesamten Know-How profitieren kann, obwohl er rechtlich ein «Aussenstehender» ist.
Beim Agenturmodell etabliert sich die Systemintegration je nach Branche auch immer mehr, ist dem Agenturmodell aber nicht systemimmanent.
Für die richtige Wahl des Systems sollte sich der Systemgeber also immer fragen, was ihm besonders wichtig ist: Preis, Risiko-/Inkassomanagement, Systemintegration/-vorgaben, Präsentation der Ware am Point of Sale, etc.
Typische Branchen für Franchising sind: Systemgastronomie, Detailhandel, Immobilienbranche, Hotelbranche, etc.
Typische Branchen für Agenturmodelle sind: Versicherungsbranche, Hypothekenvermittlung, Conveniencebranche etc.
In Teil 2 geht es um den «LIZENZVERTRAG» und zeigt die Unterschiede zu Franchising und Agentur auf.
Melanie Käser ist Geschäftsführerin von Swiss Distribution, und Rechtsanwältin bei Streichenberg Rechtsanwälte.
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