Mediation oder Schweigen ist Silber, Reden ist Gold
Manchmal ist: Schweigen Silber, Reden Gold
In einem kürzlichen Fall, bei dem die Trennung von einem Vertriebspartner nach 30 Jahren Zusammenarbeit und finanzielle Forderungen im Streit standen, hätte womöglich ein einfaches «Sorry» für eine Erledigung gereicht. Stattdessen bekämpften sich die Parteien vor dem internationalen Schiedsgericht, als ob es kein Morgen gäbe. Zuletzt hat man sich (vor allem aus wirtschaftlichen Gründen) doch noch verglichen.
Hätte Mediation geholfen? Wäre der kostspielige Prozess vermeidbar gewesen?
Zyniker sagen: nein, denn es waren Anwälte im Spiel und die verdienen mit langen Prozessen mehr als mit einer in einer Mediation erzielten raschen Lösung.
Optimisten sagen: ja, weil man so möglicherweise herausgefunden hätte, dass es der einen Partei vor allem um die Wertschätzung nach jahrzehntelanger Kooperation ging und sie sich nicht einfach mit einer zweizeiligen Kündigung abspeisen lassen wollte.
Realisten sagen: es ist oftmals ein Versuch wert, weiss man doch bei einem Gerichtsprozess häufig nur eines; er dauert lange, wird teuer und das alles mit ungewissem Ausgang. Da kann ein Mediationsprozess über ein paar Besprechungen und einige Monate hinweg nichts schaden, zumal man sich nichts vergibt.
Worum geht es?
Mediation wird als von einer oder mehreren Drittperson(en) geführter interessenorientierter, freiwilliger und eigenverantwortlicher Konfliktlösungsprozess zwischen einer oder mehreren Parteien bezeichnet. Auch wenn Mediation in fast allen Lebensbereichen eingesetzt werden kann – von Organisationen, über wirtschaftliche Sachverhalte bis in Erbrechtstreitigkeiten, es besteht oft der Eindruck, dass am häufigsten Mediation in Trennungs- und Familiensituationen zu finden ist. [1]
Warum ist das so? Verlangt Mediation ein besonders emotionaler Kontext? Geht es ums Geld und begünstigten hohe Gerichts- und Anwaltskosten die Wahl einer Mediation?
Nun, es spricht vieles dafür, Mediation schlicht aus sachlichen, kommerziellen Gründen einzusetzen – und gerade auch in wirtschaftlichen Situationen, vor allem, aber nicht nur in (integrierten) Vertriebssystemen.
Chancen, wenige Risiken
Erste Feststellung: Konflikte finden statt, ob man will oder nicht. Die Frage ist, wie gehen wir damit um.
Zweite Feststellung: Gerade in integrierten Geschäftsmodellen wie Franchisesystemen, Lizenznetzwerken oder Agenturmodellen finden oft aufwändige Selektionsprozesse, Schulungen, Unterstützungsleistungen statt und investiert auch der «Principal» erheblich in die Marktentwicklung. Selten macht es Sinn, diese Vor- und Systemleistungen mittels einer Beendigung der Zusammenarbeit und nach einem langjährigen, kostspieligen Verfahren abzuschreiben. Oder anders gesagt: Wir machen nicht Verträge, um sie leichtfertig wieder zu kündigen.
In einem Konflikt weniger die Frage nach dem «was krieg ich», sondern nach dem «worum geht es» zu stellen, macht regelmässig auch kommerziell Sinn.
Nach einer Win-win-Lösung (und nicht win-lose oder sogar lose-lose) zu suchen, ist denn auch nicht ein Zeichen der Schwäche, sondern vielmehr Ausdruck unternehmerischer Vernunft.
Mediation erlaubt, Fragen zu stellen und Lösungen zu erarbeiten, die man in einem Gerichtssaal selten bis nie bekommt. Nicht alles ist justiziabel, fast alles mediierbar. Wenn die Parteien nur wollen.
Das Risiko? Eine Investition in ein paar Besprechungen und vergebliche geistige Arbeit mit dem Willen, (auch unkonventionelle) Lösungen in Betracht zu ziehen.
Typische Themen in Vertriebssystemen
Konflikte in Vertriebssystemen sind oft vielschichtig. Wo in einem einfachen Kaufvertrag oftmals nur Zahlung gegen ordentliche Lieferung stehen, kann es in einem Vertriebssystem schnell um komplexe gegenseitige Abhängigkeiten gehen. Immerhin investiert der Franchisenehmer in eine unternehmerische Aktivität und vertraut auf die Tauglichkeit des Geschäftsmodelles, der Agenturpartner in die brauchbare Preispositionierung des Vertragsprodukts, der Lizenznehmer in die Schutzfähigkeit etwa des Patents und die Innovationskraft des Patentinhabers.
Die Ebene der Geschäftsbeziehung («wie entwickeln wir den Markt?») trifft in Vertriebssystemen auf transaktionale Belange («zu welchen Konditionen werden Waren bezogen?»). Erwartungs- und Geschäftsbeziehungsmanagement ist wichtig. Investitionen gilt es beidseitig zu respektieren. Auf Dauer angelegte Kooperationen (denken wir etwa an Hotelfranchisen) gilt es zu managen.
Die Praxis zeigt mögliche Konflikte in der Marktbearbeitung, in der Frage nach dem sinnvollen Entwicklungsplan, in der Sortimentsplanung, im Zahlungsmanagement, bei Trennungsfragen, wo es um den nachhaltigen Schutz des Systems gehen kann, oder bei strategischen Fragen nach der Neupositionierung eines Vertriebssystems, dem Changemanagement und sich daraus möglicherweise ergebenden Konflikte.
Alles Themen, die gut in einer Mediation angegangen werden können; alles Konflikte, die kaum zufriedenstellend vor Gericht ausgefochten werden können.
Mediation ist ein Lösungsvorgehen für Unternehmen, die sich zutrauen, einen Konflikt kreativ, eigenverantwortlich und damit souverän anzugehen, und sich nicht von einem Dritten sagen lassen wollen, was das Beste für sie ist. In diesem Sinn ist Schweigen dann eben Silber und Reden Gold.
Bemerkung/Fussnote:
Im lateinischen Raum ist die Redewendung „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold“ bereits im 16. Jahrhundert zu finden. Der Mensch sollte sich immer gut überlegen sollte, was er sagt.
[1] Die Mehrheit der Teilnehmenden einer kürzlichen Veranstaltung im Mediationsbereich stellten sich als Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen mit Tätigkeitsschwerpunkt Familienrecht vor.
Dr. Christoph Wildhaber
Rechtsanwalt und Mediator, Konsulent bei Streichenberg Rechtsanwälte, Zürich
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